Über Magenta

Magenta – Installation im Atelier – Mai 2020

Magenta ist ein transdisziplinäres Kunstprojekt von Andrea Iten. Aus der Installation Magenta im realen Atelierraum entsteht eine Gesprächsserie, die den digitalen Raum mit der künstlerischen Praxis verbindet. Dabei bildet sich ein Diskursnetz, das sich über die Befragung lokal und weltweit ausdehnt. Dies unter Einbezug der Farbe Magenta, die ich als eine Zwischenzeit bezeichne, in die wir (un)freiwillig versetzt sind. Die Fragen des Dazwischen und des Danach sollen Stück für Stück in einem konstruktiven Prozess Antworten generieren, wie wir in Zukunft miteinander umgehen wollen und worum wir uns kümmern. www.andreaiten.ch / andrea@connected.ch

Magenta ist Farbe, Installation und Fuchsiapflanze in einem.  Eine globale Wissensgemeinschaft erschafft, verbindet und solidarisiert sich darüber wie wir Zukunft denken und gestalten wollen und worum wir uns kümmern. Über Distanz geführte Gespräche führen zu einem Diskursraum und kollaborativen Prozess, der mit jedem Gespräch wächst.

Fuchsia und Magenta Seit dem frühen achtzehnten Jahrhundert ist die Fuchsia in Europa bekannt. Sie stammt aus den Bergwäldern Mittel- und Südamerikas, einige wenige gibt es auch auf Tahiti und Neuseeland. Sie ist nach dem deutschen Botaniker und Mediziner Leonhart Fuchs, der im 16. Jahrhundert lebte, benannt. Somit stammt auch die Fuchsie wie die Geranie oder gar das Edelweiss ursprünglich nicht aus unseren Breitengraden, obwohl sie explizit mit dem heimischen Lebensraum in Verbindung gebracht werden.

Fuchsia

Fuchsia magellanica – im Original von Feuerland bis Peru verbreitet

Farbe be(kennen) Magenta als Farbe wurde, wer hätte es gedacht, durch Zufall erfunden. Hier spielt «curare» einmal mehr die Hauptrolle. Der Engländer Edgar William Perkin wollte, gerade mal achtzehn Jahren alt, das Malariamittel Chinin künstlich herstellen. Dabei erschuf er den ersten Farbstoff Mauevin, hochgiftig zwar, aber Basis für die drei Jahre später hergestellte Farbe Magenta. Namensgeberin war die Lombardische Stadt Magenta, deren Böden in der Schlacht zwischen Österreich und Frankreich und dem Königreich Sardien Piemont 1859 blutrot rot eingefärbt wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.

Magenta und Mark Rothko

Eigentlich mochte ich Mark Rothkos Bilder nie. Beim Gang zum Zeitungskiosk sprang mir ein Bild Edward Hoppers ins Auge: Darauf macht sich ein Mann mit Krawatte und Weste an der Zapfsäule einer Tankstelle zu schaffen. Auf der aktuellen Geo Sondernummer im oberen Teil des Bildes steht: Die Kunst der USA. Klein unten, im schwarzen Bildrand: Von der Kolonialzeit bis zum 21. Jahrhundert.

> weiter im Text von Andrea Iten

Beim Durchblättern des Heftes Jackson Pollock. Andy Warhol und Mark Rothko. An Rauschenberg erinnere ich mich bereits nicht mehr, weil ich das Heft gelangweilt aus den Händen lege.
Eigentlich ist mir egal, ob sie Lee Krasner oder Georgia O’Keefe auch abgebildet hatten, ich wollte einfach nicht die Altbekannten treffen.
Hallo? Dachte ich, damit bist du doch als Malerin und Videokünstlerin ausgebildet worden. Bruce Naumanns Videoarbeit „Mapping the Studio“ hat nach wie vor eine elektrisierende Wirkung auf mich. Gerne erinnere ich mich an den Klang von Signalen der vorbeiziehenden Güterzüge, die von der unermesslichen Weite dieses Landes erzählen: sein Studio scheint an einer solchen Zugstrecke zu liegen. Die aufflatternden Motten, denen die Infrarotkamera einen prominenten Auftritt verschaffen, schaue ich mir bei jeder Möglichkeit von neuem an. Kurz und gut, sein Atelier scheint lebendiger als mancher Artikel in einer Hochglanzzeitschrift.
Das erinnert mich auch an meine erste Reise nach New York, die ich dank eines grösseren Ankaufes antreten konnte. Der Big Apple der 90-iger Jahre war noch weit entfernt von der aalglatten, gentrifizierten Weltstadt von heute. Wir hörten uns ein Rap Konzert im Palladium an. Davor gab es Leibesvisitation und Schuhe Ausziehen, damit keine Messer ins Innere des Konzertsaales gelangten.
Seit dieser Zeit begleiten mich die Bilder von William H. Johnson. Sie fielen mir als kleine Karten Edition in einem Buchladen auf und stehen seit all den Jahren gut sichtbar auf unserem Büchergestell: Ein Musikerduo mit Gitarre und Geige, unverkennbar. (Street Musicians). Die Biografie des Künstlers und seiner Familie zeigen eine andere Seite der USA, da kann auch ein für ihn 2020 erbautes Monument nichts dagegen ausrichten. Weshalb fällt mir das alles ein? Magenta schwebt, hat als Phänomen eine eigene Erscheinungsform gefunden. Dabei geht es nicht um Biografisches, sondern um das Eigenleben von Farben, die sich über den Boden ausbreiteten und silbern die Wände hochkriechen. Ich weiss, das ist ein visuelles Phänomen. Oder Zeit, jetzt Mark Rothko zu zitieren: „Bilder müssen geheimnisvoll sein“. Damit bin ich einverstanden.

> William H. Johnson (Wikipedia)
> Zitat Mark Rothko (Wikipedia)

Andrea Iten

18-1750 Viva Magenta, Pantonefarbe des Jahres 2023

Wer hätte das gedacht. Magenta mutiert zum Star und lässt die Welt hoffen. In einem Jahr geprägt von den Nachwehen von COVID, Krieg und klimatischen Besonderheiten: sprich, wir feierten den Jahresbeginn im Garten, weil es am letzten Dezembernachmittag des alten Jahres 18 Grad hatte. Und nun soll’s Magenta richten. Als eine der ältesten natürlich hergestellten Farben, in Verbindung mit der Cochenille Schildlaus, für die Textilfärbung, um wieder Freude, und Hoffnung in den Alltag zu bringen. Ob Pantone, Modeströmung oder Nachhaltigkeitssymbol: Wie gehen wir mit trendigen Aussagen um?

> weiter im Text von Andrea Iten

Für wen sind sie relevant? Wer mag positive Vibes versprühen, wenn’s draussen und drinnen grau und kalt ist? Gilt nicht eher: «Όλα για Όλα», wie Freunde aus Griechenland jeweils lachend sagen?
Weshalb ein Wort des Jahres? Strommangellage war es 2022 – und falls sie uns bevorsteht, lässt sie sich kaum mit einem Magenta farbenen Kittel bewältigen. Also doch besser für 2023 «Όλα για Όλα» in Betracht ziehen? Als wir das uns jeweils fröhlich zuriefen, dachte ich mir, alles sei in allem enthalten. Eine verlockende Vorstellung. Aber «google translate» meinte lakonisch: alle für alle. Huch, da war sie wieder, diese Unschärfe als Imperativ. Dieses «Avanti Popolo», das rein sprachlich besser zu Magenta passt, aber in einer vielschichtigen Welt eher dort vorkommt, wo mit «allen» eben genau nicht alle gemeint sind – rein dialektisch gesehen.
Was tun? Natürlich die Leuchtkraft von Magenta nutzen, um zu signalisieren: so habe ich es nicht gemeint. Um einen notwendigen Disput oder Diskurs anzuregen, wo Magenta frech auffällt, um sich für das Unauffällige stark zu machen, das sich in vielen gemeinnützigen und mutigen Aktionen klandestin und unaufgeregt an den Superlativen vorbeischmuggelt. Dazu bereit, kleine Veränderungen in unserer Denke zu implementieren ohne die gar nichts geht. Magenta, Farbe meines Fahrradhelmes, schütze mich, wenn auf der Strasse Lastwagen an mir vorbeidonnern, beladen mit tausenden magenta farbenen T-Shirts. Leuchte dort und bringe Hoffnung, wo gerade Trauer Und Entsetzen sich breit machen und die Erde nicht aufhören will zu erzittern. Und liebes Magenta, geniesse dein Pantone Jahr in vollen Zügen, denn der nächste und übernächste Trend stehen in den Startlöchern. Und dann fange ich dich auf, als das, was du in der Wahrnehmung, Akzeptanz und Erreichbarkeit für mich bist: Megaschön!

Epilog

Auf die Frage hin, was es mit dem Begriff «Όλα για Όλα» wirklich auf sich hat, antwortete unser Freund Sotiris: «Ich sehe das Griechische (und nicht nur der Kaffee) bleiben Begleiter!
Nun, zu deiner Frage. «Όλα για Όλα» ist, meiner Meinung nach eher als “Alles für alle” zu übersetzen. Όλα steht für eine vorhandene, aber nicht definierbare Anzahl von Dingen. … In dem Sinne, korrekter wäre, den Satz als “Alles für alles” zu übersetzen, obwohl es auf Deutsch falsch klingt. … Bitte beachte, dass der Satz auf Griechisch, obwohl grammatisch korrekt, ebenfalls absurd klingt. Der Satz ist eine Aufforderung für eine komplette Verausgabung in jeder Richtung… everything for everything! … so zum Schluss,… es bleibt nichts! … hmmm….Konnte ich helfen, oder habe ich dich eher zur Verzweiflung gebracht?»
Und da ist es wieder, dieses Zauberwort: Nichts. Oder wie wir auf Schweizerdeutsch sagen: Nüüt. In vielen Songs der Musikerin Sophie Hunger wie auch «Spiegelbild «spielt das Wort eine Hauptrolle, fühlt sich nach Verschwinden an, oder verschwindend wenig, was bleibt, wenn wir wirklich verschwinden. Eine leise Trauer schwingt dabei mit. Und mit der Leuchtfarbe «Viva Magenta» zusammen schliesst sich so ein Kreis.

Andrea Iten

Magenta 4 – Gespräch Andrea Iten mit Max Spielmann – 16. Januar 2022

Zurück im Atelier weisen neue Gedanken und Bilder magenta den Weg. Eine Dynamik zwischen Reflektion und Erzählung begleitet die magentabemalten Portraits ins Archiv und bildet die Diskussionsgrundlage, um in Bewegungen zu bleiben und die Zukunft mit-zu bebildern.

Repair

Ein sich zu-schaffen machen an den Dingen. Etwas ist zer-bro-chen.
Ist kaputt gegangen.
Eine Flasche, die auf den Boden kracht. In tausend Stücke zerspringt.
Bier auf den Fliesen.
Das Innere einer Lampe, das auf die Wiederherstellung wartet.
Rekonstitution.
Ein Frühling in Raten. Blütenblätter mit Plastikleber fixiert.
Schmerzen. Rauschendes Wasser. Filmen im Nebel. Tropfen sammeln.
Schritte. Keine Marschrichtung. Bilder des Grauens. Nicht aufgeben.
Wessen Realität?
Rosarotes Muschelhaus, zersplittert. Danach ein Implantat.
Ein Fussball und ein Mädchen im weissen Hängerchen.
Ein Blick, ein unerwartetes Lächeln.
Ein Rennradfahrer, der im Wald sein rotes Sporttrikot überzieht.
Von einem Go-Kart rechts überholt werden.
Zweimal Krähen begegnen.
Auf dem Weg ins Heute.

9. Mai 2022

schwarz, weiss, magenta

13.3.2022
Andrea Iten, Max Spielmann

Odessa Soundscape by kaisernappy (freesound.org), CCO 1.0

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. 

Mit Magenta durchs Jahr reisen heisst aufbrechen, ohne genau zu wissen, wo anzukommen. Vieles ist zwischen die Zeilen gefallen, einiges lässt sich realisieren. Auf- und abtauchen und immer wieder eine frische Brise um die Nase wehen lassen. Und zum Glück immer wieder Momente des Erkennens und Verstehens finden.

Magenta ist auf dem Papier an die Wand geflossen.

Und von dort in den Raum gewachsen.
Ist bei klirrender Kälte auf die Strasse gegangen.
Und hat sich drinnen wieder aufgewärmt.

Andrea Iten, Februar 2021

Magenta_on_the_street

Magenta geht auf die Strasse

Nun sind wir beinahe wieder im Lockdown. Magenta will Zeichen setzen. Wie jetzt den Weg zu den Menschen finden? Indem sie als farbiges Blatt auf und davon fliegt. Wohin wirbelt sie im Herbststurm? Wo macht Magenta Winterschlaf? Und wann und wo trifft sie sich mit anderen? Wir bleiben dran und begleiten den Fuchsia farbenen Tupfer auf seinem Weg.
Andrea Iten, 26.11.2020

Magenta@coronakunstglarus

Am 26. September 2020 eröffnete die Ausstellung #coronakunstglarus bei Alpabzug und winterlichem Wetter im Güterschuppen am Bahnhof Glarus. Das Vernissagepublikum strömte zahlreich herbei und hielt auch an der Installation magenta inne. Mit herzlichem Dank an alle Gesprächsparter*innen, die sich zu mir an den Tisch gesetzt haben und kreativ, berührend wie auch poetisch auf die hundert gestellten Fragen geantwortet haben.

Magenta 3 – Gespräch Andrea Iten mit Anja Lutz – 26. Juli 2020

Anja Lutz www.anjalutz.com ist Designerin für Kunstbücher und hat den Verlag «The Green Box» mitgegründet. In ihrem seit rund einem Jahr eröffneten Ausstellungsraum A-Z finden interdisziplinäre Statements und Veranstaltungen an der Torstrasse 93 in Berlin Mitte statt. Neue Formen zwischen digital und analog werden sich in unseren Tätigkeiten in Zeiten von Corona auch in publizistischen Experimenten zeigen. Anja Lutz ist auf der Suche nach solchen Zwischenformen.

Transkript deutsch: 200726_Transkript_Magenta_3_AI_AL.  Transcript englisch: 200726_Transcript_Magenta_3_AI_AL

Magenta 2 – Gespräch Andrea Iten mit Lydia Chatziiakovou – 15. Juli 2020

Lydia Chatziiakovou ArtBOX.gr | Creative Arts Management, leitet gemeinsam mit Christos Savvidis eine Organisation in Thessaloniki/Griechenland, die sich mit sozialem Wandel in Kunst- und Design auseinandersetzt. Im gemeinsamen Gespräch fällt der Fokus auf die kuratorische Praxis an sich aber auch auf Zeichen der Zeit, die sich für sie schon länger angekündigt haben.

Transkript deutsch: 200715_Transkript_Magenta_2_AI_LC.  Transcript englisch: 200715_Transcript_Magenta_2_AI_LC

Magenta 1 – Gespräch Andrea Iten mit Max Spielmann – 10. Mai 2020

Curare In einem ersten Gespräch, das mit Max Spielmann in der Installation stattfindet, nähern wir uns der Frage des Kuratierens. Was wollen wir in die Zukunft tragen und wie soll das geschehen? Curare als Begriff begleitet uns schon längerer Zeit. Was sind die Chancen, um resilient zu bleiben? Wie können sich Entwicklungen, Ideen, Wünsche und Notwendigkeiten ineinander verzahnen und gegenseitig bestärken?

Transkript deutsch: 200510_Transkript_Magenta_1_AI_MSP.  Transcript englisch: 200510_Transcript_Magenta_1_AI_MSP

Magenta Spezial – Elahopp – 30. August 2020

Was hat Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band der Beatles mit Magenta zu tun, und was zwei polnische Musiker mit dem Schweizer Komponisten Paul Burkhard?

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Das geht so: wiederum ist ein Konzert im Innenhof beim Marienhaus angesagt. Zwei Marimbaspieler haben sich trotz einiger Regentopfen eingefunden, wie auch Bewohner*innen und Pflegepersonal auf Balkonen. Diesmal geht’s gleich mit den vier Jahreszeiten von Vivaldi zur Sache. Und ja, der Herbst steht vor der Türe. Und mit ihm steigende Corona Fallzahlen. Alle sprechen von Aerosolen und dem bevorstehenden Winter und dass das kein Kinderspiel wird, wenn wir uns alle in Innenräume zurückziehen müssen.
Zurück zum Innenhofkonzert: Jetzt spielen sie Mozart, unmittelbar gefolgt vom Radetzky-Marsch. Ein Gassenhauer ertönt nach dem anderen. Wäre da nicht dieses Dazwischen. Einer der beiden Musiker macht die Ansagen. In einer Sprache, die direkt zu Lys Assia und ihrem «O mein Papa» führt. In einem Singsang, der das Ganze osteuropäisch einfärbt und den weltweit bekannten «grossen Kinstler» in die Manege hievt. Hand auf’s Herz! Wann waren Sie zum letzten Mal im Zirkus? Wo Sägemehl in die ersten Reihen fliegt, wenn die Lipizzaner vorbeitänzeln! Und die Nummern nach jedem Tusch des Orchesters von einem Clown angesagt werden! Wo das Orchester Uniformen trägt, wie auf dem Plattencover der Beatles und den Säbeltanz spielt, damit die Spannung ins Unermessliche steigt? Wo Elefanten als Parade an einem vorbeischweben?
Der Applaus ist den beiden Marimbaspieler gewiss. Der virtuelle Ausflug in den Zirkus lässt uns aeorosolfrei träumen. Und wenn der Spuk dann vorbei ist, gehe ich bestimmt in den Zirkus, um Pferdepisse zu schnuppern und mir in die Wangen zu kneifen, bis sie rot sind. Um zu spüren, dass alles real ist. Bis dahin nehme ich die CD der Beatles hervor, vergesse das «elahopp» von Lys Assia nicht, wenn’s schwierig wird und freue mich am magentafarben gekleideten Ringo Starr auf dem Cover.

PS:
«Being for the Benefit of Mr. Kite!» bitte mehrmals anhören.
Und “With a little help from my friends” geht alles besser, Corona hin oder her.

Links:
Sgt._Pepper’s_Lonely_Hearts_Club_Band (Wikipedia)
O Mein Papa – Lys Assia 1964 (youtube)

Magenta Intermezzo – 29. August 2020

Corona und die Folgen

Welche Handlungsfelder eröffnen sich?

15.4.2020, Überarbeitet am 29.8 20

Dieser Text entstand Mitte April 2020 während des COVID19 bedingten Lockdowns. Das Ziel war eine Sortierung; ein Versuch auf all die Dinge zu reagieren, die medial und emotional auf uns einwirkten. Knapp vier Monate später hat sich vieles verändert. Wir blicken beunruhigt in Richtung einer möglichen zweiten Welle und wissen, dass sich die Situation nicht auf Knopfdruck normalisieren wird. Wir haben den Text nochmals hervorgenommen und ihn mit der Farbe Magenta überarbeitet und aktualisiert.

Intro

Bleiben Sie Zuhause! Wir mögen diesen Satz hassen, doch draussen vernehmen wir das Gezwitscher der Vögel. Wir lesen ein Buch in einem Zuge durch. Wir beginnen ein Instrument zu lernen. Wir haben Zeit für lange Gespräche. Wir unterscheiden bewusst zwischen wichtig und unwichtig und sind vielleicht eine Spur weniger getrieben vom Drang, alles dauernd zu checken. Wir ziehen die Kleider von gestern nochmals an. Wir gehen aber mit sauberen Kleider Tanzen, seit es nach dem Lockdown wieder erlaubt ist. Wir schätzen den Verzicht auf sinnlose Konsumtouren. Wir lassen los und bezeichnen es als Verzicht. Und wir hängen auch sinnlos rum, gehen uns manchmal auf die Nerven und wissen nicht was tun. Aber seit wir wieder ungehindert im Rhein Schwimmen können, ist viel Wasser den Fluss hinunter geflossen. Und wir sind mitgeschwommen.

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Magenta Spezial – Ich brauche keine Millionen – 23. Juni 2020

Magenta zu Besuch im Pflegeheim Marienhaus. Davor stehen drei Grazien in glitzernder Robe und Federschmuck sowie ein weiss bekleideter Herr mit Strohhut und ein Musiker am elektrischen Piano. Inmitten eines imposanten Innenhofes, wo Alters-, Pfleg- und Wohnheim, Kindergarten und Kreativwirtschaft aufeinandertreffen. Im Moment leider durch ein rotweiss gestreiftes Plastikband voneinander getrennt. So wollen es die Corona Sicherheitsvorschriften des BAG.

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Die Sängerinnen haben den Blick und die Arme nach oben gerichtet, in einem imaginären Amphitheater, einer temporären Bühne. Inmitten von Gartenbeeten, Spazierwegen, umgeben von Bewohner*innen auf Balkonen, Bänken, an kleinen Tischen. Die magenta farbenen Ballkleider funkeln im Sonnenlicht, begleitet von kleinen Tanzeinlagen und perlendem Gesang, der dreistimmig in die Höhe schwebt. Mit dem Gassenhauer «Känguru» und einem Spezialtänzchen ist das Eis gebrochen. Der Applaus fällt verhalten und zögerlich. Wer mag hochbetagt so stark in die Hände klatschen, dass es im Hinterhof hallt?

Ein Fensterputzer ist mit von der Partie. Seit Anfang der Aufführung hält er sein iPhone zwischen Ohr und Schulter geklemmt, putzt weiter und spricht aufgeregt in die Aufführung hinein. Ob er wohl seine Familie anruft und erzählt, dass er gleich einen Bühnenauftritt mit drei Damen und einem unglaublichen Herrn im «weissen Rössl» hat? Später dann, gegen Ende der Aufführung, verleiht er den Scheiben den Glanz, den sie brauchen, um die Aufführung zu spiegeln. Sie weiterzubefördern. Sie im Rhythmus hin zu den Zuschauer*innen zu bewegen. Kitschfaktor: hoch, denn das muss gerade im Hier und Jetzt sein. Operetten als wunderbares Vehikel, um den Rahmen zu sprengen und die Menschen da abzuholen, wo sie jetzt sind: Verunsichert – wie es weitergeht. Corona hat uns alle – nicht nur die Kuh – auf’s Eis geführt.

Toi toi toi für die nächste Aufführung!

Mit herzlichem Dank für die Musik, Spiel und Gesang: The Superbs: Giuli Gautschi Del – Re, Esther Randegger und Lisa Westermann, Karlheinz Brandt und: den Fensterputzer. Tom Ryser und das Basler Theater.