Logo dzk in der Helferei

Eine interdisziplinäre Reihe mit wegweisenden, zumeist performativ und partizipativ angelegten Veranstaltungen

Die Relevanz von Kunst und Kultur hinsichtlich unserer Orientierung im Hier und Jetzt soll sichtbar gemacht werden. Im Zentrum stehen Prozesse künstlerischer und interdisziplinärer Zusammenarbeit sowie deren Reflexion. Sie richten sich an ein breites Publikum wie an die Kulturschaffenden und -vermittelnden.

> www.kulturhaus-helferei.ch

Aktuell und kommend

Naomi Rincon Gallardo Sonnet of Vermin 6  ICH UND DIE WELT
Bild: Naomi Rincón Gallardo, Sonnet of Vermin, 2022, Video

Ausstellung Kulturhaus Helferei

In den Foyers und der Zwinglistube, Kirchgasse 13, 8001 Zürich

3. November – 8. Dezember 2022

Mo–Sa, 10–18 Uhr, Eintritt frei
Webseite Kulturhaus Helferei

Mit Werken von Naomi Rincón Gallardo, Dario Cavadini, Samira Hodaei, Ana Vujić, Antony Gormley, Victorine Müller, Georg Aerni, Brigitt Bürgi, Hannes Oehen, Parvez
Idee und Realisierung: «die zukunft kuratieren», Brigitt Bürgi, Peter Fischer

Siehe hier


Archiv

1.–25. September 2022

GLETSCHER BLUES

Rhonegletscher Caspar Wolf & Andrina Joerg

Caspar Wolf, Der Rhonegletscher von Gletsch gesehen, 1778  /  Andrina Jörg, Paranatur Gletsch, Wolfsgewächse, 2020

Ausstellung Kulturhaus Helferei
Kirchgasse 13, 8001 Zürich
Mo–Sa, 10–18 Uhr

Künstlerinnen und Künstler führen uns den bestürzenden Zustand der Gletscher vor Augen. Sie machen sichtbar, wie dringlich unser Handeln jetzt gefordert ist. Dies als ein Beitrag der Kunst zur aktuellen Klimadiskussion.

Zeitgleich mit der parlamentarischen Schlussberatung des Gegenvorschlags zur «Gletscherinitiative» zeigt «die zukunft kuratieren» in Zürich und in Muri ein eindrückliches Ensemble von Bildern des Rhonegletschers.

Mit Werken aus der GRAND TOUR CASPAR WOLF von Moritz Hossli, Andrina Jörg, Bruno Müller-Meyer, George Steinmann, Andreas Weber, Caspar Wolf und Véronique Zussau sowie einem Hörspiel von Maxi Obexer.

Eintritt frei

Vernissage Do 1. September 17 bis 20 Uhr

17h30: Statement zur «Gletscher-Initiative» von Michèle Andermatt, Verantwortliche Politik des Vereins Klimaschutz Schweiz, sowie Einführungen von Peter Fischer und Martin Wigger. Anschliessend Umtrunk.

Einladungskarte (PDF)
Vernissagerede von Peter Fischer (PDF)
Résumé (PDF)
Ausstellungsführer (PDF)
In Zusammenarbeit mit Murikultur/GRAND TOUR CASPAR WOLF
Webseite GRAND TOUR CASPAR WOLF
Webseite Kulturhaus Helferei

ZWISCHEN BIENEN UND BOMBEN

ZWISCHEN BIENEN UND BOMBEN

Lebensmittelproduktion unter Druck

Mi 18. Mai, 18.30 Uhr
Kulturhaus Helferei, Kapelle
Eintritt frei

Neben Inputs zu den aktuellen Verwerfungen in der Lebensmittelproduktion, verursacht durch Klimawandel und jetzt auch Krieg, fragen wir uns: Was kann uns Hoffnung geben? Wie und wo entstehen Lösungen? Was ist unser persönlicher Beitrag?

Bernadette Oehen, Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL
Prof. Dr. Christoph Küffer, OST Ostschweizer Fachhochschule und ETH Zürich

Künstlerische Interventionen: Brigitt Bürgi, Hannes Oehen

DEIN ZUKUNFTSBILD

Foto-Teilet mit Brigitt Bürgi
Di 11.1. bis Fr 14.1. jeweils 14.00 bis 18.00 Uhr
im Foyer der Helferei

Brigitt Bürgi, Dein Zukunftsbild

164 Leute haben bis dato mitgemacht und Brigitt Bürgi ihr persönliches Zukunftsbild übergeben.

Die ganze ZUKUNFTSBILDER-SAMMLUNG ist hier zu sehen.

Dein Smartphone ist eine Schatztruhe.
Voller Bilder.
Wähle daraus eines aus, das für Dich Aspekte der Zukunft in sich trägt.
Schicke mir das Bild. Danke!
Brigitt Bürgi

Die Künstlerin Brigitt Bürgi schickte Anfang Januar alle Interessierten auf Suche in den Bilderspeicher ihres Smartphones. Ein Bild – wirklich nur eines! – galt es auszuwählen, das für die Zukunft steht. All diese subjektiven Zukunftsbilder überführte Brigitt Bürgi in ihrem temporären Bilderbüro in der Helferei vom 11. bis 14. Januar in eine kollektive Zukunftsvorstellung.

Impressionen:

Zu sehen bis am 18. Januar im Foyer des Kulturhauses Helferei, Kirchgasse 13, 8001 Zürich

Die ganze ZUKUNFTSBILDER-SAMMLUNG ist hier zu sehen.

Mit Dank für die Unterstützung:

Webseite Brigitt Bürgi
Webseite Helferei

Elmer & Frisch, 05.37 Sonnenwende, Foto Anni Katrin Elmer

ANNI KATRIN ELMER, JENNI KAROLIINA ELMER, PEARLIE FRISCH
47°22’30.0″N 8°30’20.8″E 10.07.21 05:37

Licht- und Soundinstallation
Mi 15. Dezember, 16:37–21.37 Uhr
Kapelle Kulturhaus Helferei

Der kürzeste Tag des Jahres nähert sich. Bald werden die Tage wieder länger und das Licht gewinnt an Kraft. Mit ihrer für die Kapelle der Helferei konzipierten multimedialen Kunstinstallation «05:37» inszenieren Anni Katrin Elmer, Jenni Karoliina Elmer und Pearlie Frisch den Moment des Tagesanbruchs. Im Zentrum steht das alltägliche und doch wundervolle Naturspektakel des Sonnenaufgangs, ein Gegenpol dazu ist das Voranschreiten der Zeit und somit die Vergänglichkeit alles Irdischen. Stündlich sind Besucherinnen und Besucher eingeladen, in den Raum aus Klängen und Licht einzutauchen und gemeinsam einen Neubeginn zu erleben.

Kapelle Kulturhaus Helferei
Kirchgasse 13, 8001 Zürich

Eintritt frei , inkl. Glühwein / 3G & Maske

Webseite Anni Katrin Elmer     Webseite Pearlie Frisch

Mit Dank für die Unterstützung:

Impressionen 05:37, Kulturhaus Helferei, Zürich, 15.12.2021

Peter Fischer, Zurückblicken, Foto Brigitt Bürgi

PETER FISCHER: ZURÜCKBLICKEN AUF KOMMENDES
Bildervortrag mit anschl. Apéro
Do 18. November, 18h30
Kapelle Kulturhaus Helferei

Peter Fischer spricht über Erkenntnisse, die er in Verlauf seiner langjährigen Karriere aus historischen Beschäftigungen heraus gewonnen hat und als zukunftsrelevant erachtet, darunter Projekte zum Landschaftsmaler Caspar Wolf (1735–1783), dem Luzerner Löwendenkmal (errichtet 1821), der Schweizer Skulptur seit 1945 und generell über das Potenzial «alten Wissens» für unsere Gegenwart.

Peter Fischer, Kunst-, Literatur- und Musikwissenschaftler, 1995–2001 Kurator der Daros Collection, 2001–2011 Direktor des Kunstmuseums Luzern, 2011–2016 Direktor des Zentrum Paul Klee, seither freier Kurator und Kunstsachverständiger. 2020 Mitbegründer der Kulturinitiative «die zukunft kuratieren», siehe Webseite Peter Fischer

Danach als Bonus: Premiere des Animationsfilms «Peter Loves Art» (1’26”) von Hannes Oehen, Konzept: Brigitt Bürgi, Link zu Vimeo hier.

Kapelle Kulturhaus Helferei
Kirchgasse 13, 8001 Zürich

Eintritt frei / Kollekte zugunsten «die zukunft kuratieren»

Flyer (PDF)

Vortrag Fischer

Auswahl von Textauszügen aus dem Vortrag


Vom Umgang mit der Historie

Löwendenkmal

Der Umgang mit der Historie hat ja gerade Konjunktur, das NZZ-Podium, …

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… das nächste Woche, sinnigerweise im neuen Kunsthaus stattfindet, ist nur ein Indiz dafür. Im Unterschied zur NZZ interessiere ich mich aber nicht für den pathetischen Aspekt der Geschichte – sie sei «umweht vom Kampf um Wahrheit und Sinn», lesen wir hier –, sondern für ihr Potenzial, die Kunst zu inspirieren. Auf dass diese uns inspiriere bei unserer Orientierung im Hier und Jetzt und in unserer Ausrichtung auf die Zukunft. Interessanter­weise sind es gerade die Aspekte, die den Historikerinnen Bauchschmerzen bereiten, die wir in der Kunst als besonders anregend empfinden, nämlich die Differenzen und die Widersprüchlichkeiten, die aus der Geschichte wie auch aus unserer Beschäftigung mit ihr partout nicht zu auszulöschen sind. […]


Zum Angelus Novus von Paul Klee

Walter Benjamin und Paul Klee, Angelus Novus

Zurück zum Angelus novus, der kleinen aquarellierten Ölpause von Paul Klee …

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… nach seiner Zeichnung von 1920. Nichts Besonderes, möchte man meinen, und doch handelt es sich um eine Ikone der Kunst des 20. Jahrhunderts. Was nur zum Teil an Klee liegt. […] Wieso wurde ausgerechnet dieses Blatt, das sich bis 1990 in Privatbesitz befand und nie öffentlich ausgestellt wurde, so berühmt? Es liegt an Walter Benjamin. Der bedeutende Kulturphilosoph erwarb das Werk 1921 und liess sich von ihm zu einer folgenreichen Interpretation anregen: Er bezeichnete den Angelus novus als «Engel der Geschichte». […]

Im Zusammenhang mit meinem Fokus «Zurückblicken auf Kommendes» sind zwei Aspekte interessant: Beim ersten, dem rezeptionstheoretischen, geht es um den Umstand, dass Klees Bild wegen Benjamin in einer Art und Weise aufgefasst wird, die der Künstler selbst gar nicht intendiert hatte. Dazu später noch. Der zweite Aspekt liegt in der fast schon wörtlichen Illustration meines Titels. Walter Benjamin leitete aus dem Bild von Klee eine «eigentümliche» (Jürgen Habermas) Konzeption der Geschichte ab. In seinen eigenen Worten tönt das so: «Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heisst: Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangen­heit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füsse schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammen­fügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schliessen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhörlich in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.» (Walter Benjamin, «Über den Begriff der Geschichte», in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. I.2, Frankfurt M. 1991, S. 697 f.) Benjamin sieht den Engel also exakt in der Gegenwart angesiedelt, an der Schnittstelle zwischen Vergangenem und Kommendem. Während er zurückblickt, treibt er in die Zukunft. […]

Was für uns […] hängen bleibt, ist Benjamins Art, in Bildern, statt wie in der Philosophie sonst üblich in Begriffen zu denken. Verzeihen Sie mir, dass ich hier bequemerweise aus Wikipedia zitiere: «Denkbilder», lese ich dort im Zusammenhang mit Benjamin, «wirken als vieldeutige Figuren anschaulicher Erkenntnis, gleichsam als erkenntnistheoretische Modelle, die ein Problem im bildhaften Aphorismus umreissen. Gedanke und Anschauung, Begriff und Bild treten bei Benjamin in eine unauflösliche Beziehung.» (https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Benjamin) Das ist es doch gerade, was die visuelle Kunst dank ihrer Bildhaftigkeit als einzigartige Qualität in sich trägt, diese Offenheit gegenüber allen möglichen Betrachtungsweisen, selbst wenn sie sich widersprechenden, und selbst gegenüber von Betrachtungsweisen, die im Hier und Jetzt noch gar nicht vorstellbar sind. […]


Rezeptionsästhetik à la Thomas McEvilley

Thomas MvEvilley und Marcel Duchamp

Thomas McEvilley hat eine Systematik entwickelt, um verschiedene Kategorien …

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… zu unterscheiden, was es mit dem Gehalt – im Englischen spricht er von «content», von «Inhalt» – eines Kunstwerks auf sich habe. […] McEvilley definiert das Kunstwerk als etwas variables, als etwas, das nie vollendet ist, als etwas, das in jedem neuen Kontext, auch wenn dieser völlig unvorhergesehen aufscheint, neue Bedeutungen erlangen kann. Das ist nicht weniger als die Abkehr von der alten hermeneutischen Auffassung, die sich darin erschöpft, zu ergründen, was der Autor, der Künstler oder die Künstlerin in ihr Werk legen wollten. In unserem Zusammenhang des Zurückblickens auf Kommendes interessiert mich das, was McEvilley so umschreibt: «Gehalt, der dem Kunstwerk zufliesst, indem es zunehmend sein Schicksal dadurch aufdeckt, dass es im Verlaufe der Zeit weiterbesteht.» Das tönt etwas gestelzt, meint aber nichts anders, als dass alles, was einem Werk je widerfährt, unumkehrbar Teil von ihm und Teil seiner Erfahrung wird. McEvilley gibt dafür ein einfaches Beispiel: Duchamp, sagt er, verlieh der Mona Lisa Bedeutung. Sie kennen die Anspielung: Marcel Duchamp versetzte dem Abbild der Mona Lisa auf einer Ansichtskarte im Jahre 1919 einen Schnauz und ein paar Buchstaben, die in gesprochener Form ein anzügliches Wortspiel ergeben. Es wurde nicht nur eines der bekanntesten Werke des 20. Jahrhundert, sondern verlieh der Mona Lisa, ob das Leonardo gepasst hätte oder nicht, neuen Gehalt. Und noch viele weitere Ereignisse machten die Mona Lisa erst zu der weltberühmten Ikone, die sie heute ist. […] (Thomas McEvilley, «On the manner of addressing clouds», Art Forum, 22, no. 10, Summer 1984, pp. 61–70)


Zum Projekt Löwendenkmal 21 (2017–2021) #1

Löwendenkmal 21, Performance von MC Graeff

Ich machte vor zwei Jahren an einem Denkmäler-Symposium die interessante Erfahrung, dass …

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… die Historiker von Rezeptionsästhetik […] wenig halten. Unter dem Titel Löwenschmerz rührt das Herz referierte ich über emotionale und andere Momente der Begegnung von Besucherinnen und Besuchern mit dem Luzerner Löwendenkmal, ja sprach gar von einem «Eigenleben» des Löwendenkmals, und die Historiker haben mir abgesprochen, damit einen Beitrag zum Verständnis und Gehalt des Denkmals zu leisten. Die alleinige Wahrheit eines Denkmals scheint in der Rekonstruktion der Historie, die ihm zugrunde liegt, zu finden zu sein, und diese Historie – eine seltsame Logik – endet, sobald das Denkmal fertig errichtet ist. Das passt ja zum sterbenden Löwen, an der Einweihung verurteilt man ihn erst mal grad zum Tode! Nun, Geschichtstheorien hin oder her, die Künstlerinnen und Künstler wissen vom Kreuz mit der Wahrheit, sie wissen, dass die Frage nach der Wahrheit von der eingenommenen Perspektive abhängt. Und genau deshalb war es richtig und wichtig, dass sich 200 Jahre nach Errichtung die Künstlerinnen und Künstler des Löwendenkmals annehmen. […]

Wir haben zwei Möglichkeiten, uns mit einem historischen Kunstwerk auseinanderzusetzen. Erstens wie zuvor geschildert, indem wir versuchen, die historische Distanz zu überwinden und zu verstehen, was der Künstler oder die Künstlerin ins Werk legen wollte. Zweitens: Wir sehen das Werk als ein Objekt im Hier und Jetzt. So entfaltet es erst seine Bedeutungsvielfalt, im Fachjargon «semantische Komplexität» genannt. Dazu gehört, dass wir es vor unserem individuellen Erfahrungshintergrund sehen und dass es unsere Zukunftsperspektiven zu gestalten vermag. Dies nicht zuletzt, weil wir Kenntnis von dessen Wirkungsgeschichte haben und diese im Sinne einer Vorausschau hypothetisch weiterschreiben können, in die Zukunft hinein. Zurückblicken auf Kommendes kann also eine visionäre Dimension annehmen. Max Christian Graeff hat es an seiner Performance zur Lancierung des Lion Calls im Juni 2017 auf den Punkt gebracht. «Dieses Kriegerdenkmal», sagte er, «ist unter Denkmalschutz gestellt. Wir können es also lediglich verändern, indem wir etwas davor setzen. Am leichtesten das, was schon davor steht: uns selbst. [… Wir] können das Bild des Löwen verändern, indem sich jeder betrachtende Mensch als Teil des gegenwärtigen Denkmals begreift und mitbestimmt, ob es in Zukunft ein Kriegerdenkmal bleibt oder zu einem Ort wird, an dem …». Ja eben, was da stattfinden könnte, war noch völlig offen und sollte während des Projekts L21 zusammen mit den Kunstschaffenden entwickelt werden. […]


Zum Projekt Löwendenkmal 21 (2017–2021) #2

Was ist die Rolle der Frau in diesem heroischen Kontext? Im Tierreich …

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… wäre die die Löwin ja eigentlich die Heldin, die das Überleben des Rudels sichert, nicht das faule, nur auf seine Vormacht bedachte Männchen. Gefeiert werden die Frauen nicht, auch wenn sie an vorderster Front am Sturm auf die Tuilerien dabei waren und erst recht jenseits der Schlachtfelder für das Überleben sorgten. Verschiedene Künstlerinnen haben sich auf die Suche nach der verlorenen Löwin und den versteckten Heldinnen gemacht.

Lisa Bärtschi lud in ihrem szenischen Rundgang Ham-let-it-be zu einer assoziativen Reise durch Sphären der Macht, der Künste, der Weiblichkeit und der Magie ein. Sie weinte mit Minz und Maunz, den trauernden Katzen aus dem Struwwelpeter, um das von den zündelnden Männern, die die Welt regieren, abgefackelte Weltenhaus. In einer anderen Szene trat sie als Urenkelin des Vaterlandes auf. Statt sich – wie vielleicht zu erwarten wäre – mit der Mutter des Vaterlandes in Gestalt der trauernden Mütter der gefallenen Söldner zu befassen, oder mit den wütenden Frauen, die den Sturm auf die Bastille angeführt haben, verlegte die Künstlerin das Symbol der Weiblichkeit realiter in unsere Gegenwart. Sie verwandelte die Kuppel der Gedenkkapelle beim Löwendenkmal in eine weibliche Brust und hielt davor ein weisses unbeschriebenes Transparent hoch. Ihre Geste ist ihr Angebot eines unvoreingenommenen, nicht instrumentalisierten Blicks auf das Symbol der Weiblichkeit. Ein solcher ist – nicht nur aus Sicht der Künstlerin – doch erst die wahre Revolution!

Unter dem lakonischen Titel In boca al leone – Ohne Frauen kein Krieg verwandelte Lilian Frei das Löwendenkmal für einen Abend in den Schauplatz eines Totentanzes und veranstaltete eine mit Nebel, Feuer und Gesang inszenierte und choreographierte Performance. Nicht die Rekonstruktion eines Geschehens stand im Zentrum, sondern die rauschhafte Verbildlichung individueller Trauer, die im herzzerreissenden Ge­sang von Saadet Türkös kulminierte. Angesichts des provozierten, voraussehbaren sinnlosen Sterbens verkommt die Verehrung des Märtyrertodes zu einer völlig unergiebigen Haltung.

Löwendenkmal 21, Performance von Brigitt Bürgi

Brigitt Bürgi kehrte diese Haltung in ihr Gegenteil: Sie setzte der Frage, welche das Denkmal zu beantworten vorgibt – «What to die for / Wofür sterben?» –, die vermeintlich einfache Frage entgegen «What to live for / Wofür lohnt es sich zu leben?». Es ist eine sehr persönliche Frage und eine, über die wir uns gewöhnlich keine Gedanken machen. Sie ist produktiv, denn sie verlangt nach aktiver Teilnahme am Lebensprozess. Hunderte Leute, mehrheitlich Passantinnen und Passanten aus aller Welt, haben sich an dem schönen Septembernachmittag damit auseinandergesetzt, indem sie die beiden Sätze mit Hilfe von Schablonen auf das rote Lebensband, das sich durch das Gelände schlängelte, aufsprayten. Auch die vielen Hundert Antworten darauf blieben der danach eingerollten Lebensader im Sinne von unsichtbaren Statements eingeschrieben. Löwinnen Manifest nannte die Künstlerin ihre Aktion. Der Ort des historischen, unbeirrbar in Stein gemeisselten Denkmals erfuhr dadurch eine lebendige Demonstration des Nachdenkens über gemeinsame Werte. […]

Löwendenkmal 21, Performance von Brigitt Bürgi


Zum Projekt Löwendenkmal 21 (2017–2021) #3

Löwendenkmal 21, Performances

Das ursprüngliche Ziel, das ich mit dem Projekt L21 verfolgte, bestand darin, …

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… den Verlauf des Mehrjahresprojektes zu nutzen, um ein neues Denkmal zu errichten, bzw. darüber nachzudenken, woran wir denn heute erinnern möchten und wie das aussehen könnte. Es mag Glück oder Pech sein, dass ich aus dem Projekt Ende 2019 nach drei Jahren vorzeitig ausgestiegen bin. Ein neues Denkmal gibt es jetzt nicht. Und das ist wohl besser so, denn meine Erkenntnis aus dieser spannenden künstlerischen Auseinandersetzung geht in die Richtung, dass eine adäquate Erinnerungskultur nicht in Stein gemeisselt/in Beton gegossen/in Eisen geschmiedet werden darf, sondern variabel bleiben soll. Erinnerung kann nicht losgelöst vom eigenen Standpunkt passieren. Und weil die Rezeption sich in die Zukunft hinein fortsetzt, sollte sie im besten Fall – ich habe darüber schon gesprochen – sogar Betrachtungsperspektiven ermöglichen, die wir noch gar nicht kennen. Was mich zur Schlussfolgerung verleitet, dass Erinnerungskultur verstärkt in Form von Prozessen, ja mehr: in Form von partizipativen Prozessen stattfinden soll. Und genau dies haben wir in den letzten paar Jahren mit L21 getan. Das Projekt dürfen wir nun also nicht pünktlich zum Jubiläum einfach als beendet erklären, sondern das Löwendenkmal soll weiterhin zu Manifestationen anregen, die dort wie selbstverständlich stattfinden. Es ist ein Ort, wo gelebt wird, und dazu gehört es auch, nachzudenken und sich zu äussern. So braucht es auch keine Instanz, keine Denkmalkommission zu geben, die zu prüfen hat, was passieren darf. […] Also, es gibt noch viel zu tun. Wir freuen uns auf die nächsten Austragungen am Luzerner Löwendenkmal. […]


Zum Projekt GRAND TOUR CASPAR WOLF  #1

Caspar Wolf, Chute de l'Aar

Ein paar Mal erlaubte sich Caspar Wolf den kleinen Spass, …

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… seine Bilder mit einem Wolf zu signieren. Ist ja gut und recht, denken wir. Aber wenn wir das Tier im Kontext der sehr gezielt eingesetzten Staffagefiguren, die auf praktisch allen seinen Bildern zu finden sind, betrachten, wird es spannend. Der Wolf blickt uns nicht entgegen, sondern er schaut in die Natur hinein. Genauso wie der Künstler und seine Gefährten [in Form der Staffagefiguren] es tun. Sie schauen in die Landschaft hinein. Aber sie tun es distanziert, und mit spezifischem Interesse, also mit Konzentration, nicht in kontemplativer Versunkenheit wie etwa der Wanderer über dem Nebelmeer von Caspar David Friedrich. Das macht Caspar Wolf so interessant für uns. Eines seiner Themen ist das Verhältnis des Menschen zur Natur. Und gerade das wird ja mehr und mehr zum bestimmenden Thema unserer Zeit und in Zukunft mit Sicherheit in noch verstärktem Masse. Caspar Wolfs Blick und sein künstlerisches Schaffen bieten eine spannende Folie, vor der wir unser eigenes Verhältnis zur Natur auf den Prüfstand erheben können. […]


Zum Begriff «Anthropozän»

Caspar Wolf, Staffagen & Caspar David Friedrich

Ich halte nicht viel von der Bezeichnung Anthropozän für ein neues Erdzeitalter. …

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… Es passt zur Selbstüberschätzung des Menschen, dass er die Zerstörung der eigenen Lebensgrundlagen auch noch bedeutsam machen will, indem er die dafür benötigte Zeitspanne in die Erdgeschichte einschreibt. Die damit umrissene Zeit lässt sich im grossen Kalender dieser Erdgeschichte aber nicht einmal mit dem Sekundenzeiger festmachen. Und der Erde ist es egal, ob die Menschen kurzzeitig ein Durcheinander anrichten. Sie hat alle Zeit der Welt, dies nach seinem Verschwinden wieder zu richten. Ich will aber nicht zynisch werden. Schliesslich kann es uns aus ganz egoistischen Motiven nicht egal sein, dass wir unsere Lebensgrund­lagen sehenden Auges zerstören. Hier liegt das Problem: im sehenden Auge, und hier kann der Blick zurück Erkenntnis bringen, was auch immer wir damit anfangen. Die Künste, insbe­sondere die Landschaftsmalerei, haben sich immer schon für das Verhältnis des Menschen zu seiner Umgebung interessiert. Die Malerinnen und Maler machen die Berge einmal hoch und mächtig, ein anderes Mal eliminieren sie die rauchenden Kamine aus ihren Landschafts­bildern, oder sie benützen den Schwarzspiegel, weil sie sich nicht für Details, sondern nur die grossen Linien interessieren. Was auch immer: Wie der Mensch auf seine Umgebung blickt, zeugt von seiner Haltung, und das lehren uns die entsprechenden Bildzeugnisse. […]


Zum Projekt GRAND TOUR CASPAR WOLF #2

Caspar Wolf, Reisegesellschaft

Auf den Spuren von Caspar Wolf schärfen die an der Grand Tour Caspar Wolf beteiligten …

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… Künstlerinnen und Künstler ihren Blick und ihr Empfinden an den Erfahrungen, die ein anderer vor langer Zeit gemacht hat. Sie lernen von diesen Erfahrungen. Nicht Fähigkeiten, aber lernen beispielsweise über die Bedeutung von Kontexten. Und anhand der künstlerischen Zeugnisse werden wir alle uns der Veränderungen bewusst. Sie sind im Moment jeweils kaum wahrnehmbar, springen aber über eine grössere zeitliche Distanz hinweg besehen überdeutlich ins Auge. Ich glaube, so wird ein weiteres Mal klar, was ich mit Zurückblicken auf Kommendes meine. Kein Wunder dienen Caspar Wolfs Gemälde den Erdwissenschaften als verlässliche Referenzen, etwa für den Stand der Gletscher vor 250 Jahren. Wir sind aber keine Glaziologen, sondern Künstlerinnen und Kunstvermittler. Unsere Methode ist die Vermittlung von Erkenntnissen via die individuellen Erfahrungen, die wir mit symbolischen Bilder und Handlungen auslösen. […] Wir reflektieren also nicht nur darüber, was wir in den Blick nehmen, sondern ebenso sehr darüber, wie wir das tun, und wie wir es künstlerisch vermitteln können. […]

Die Grand Tour Caspar Wolf ist in vollem Gange. Sie hat ihre Zieleinfahrt am 23. April 2022 in Muri und mündet dort in eine grosse Ausstellung im Museum Caspar Wolf und der Villa Wild. Der Projektfortschritt wird auf der Webseite von «die zukunft kuratieren» laufend dokumentiert – eine Seltenheit im Kunstbetrieb, wo sich sonst weder die Kunstschaffenden noch die Kuratorinnen gerne in die Karten schauen lassen, bevor nicht Endresultate vorliegen. Ich rede ja aber seit einer Stunde von der Notwendigkeit von Prozessen, vom Zurück- und Vorwärtsgehen, vom sich in immer wieder in neuen Kontexten immer wieder neu zu orientieren. Dem Prozesshaften messen wir grosse Bedeutung und Gewicht bei, und ich rechne es den Beteiligten hoch an, dass sie sich in diesem Sinne auf einen gemeinsamen Weg begeben. Der Prozess wird übrigens gleich selbst zum künstlerischen Thema. Sadhyo Niederberger hat schon letzten Mai in einem Raum im Museum Caspar Wolf [unter dem Titel «Reading Caspar Wolf»] eine Art Archiv eingerichtet, wo sie in künstlerischer Weise ihre und unsere gemeinsame Reise auf den Spuren von Caspar Wolf dokumentiert. […]

Valérie Favre, Le martyre de la main gauche, Foto Meret Freisen

Kostüm: Valérie Favre, genäht von Sarah Ama Dua, Foto: Meret Freisen

VALÉRIE FAVRE: LE MARTYRE DE LA MAIN GAUCHE
Langzeitperformance
1.–6. Nov. 2021: Mo 14–18h / Di – Fr je 10–18h / Sa 10–14h
Finissage Sa 6.11. um 14h
Kulturhaus Helferei

Für diese einwöchige Performance in einem kleinen Raum der Helferei bindet Valérie Favre ihre rechte Hand zurück und beschränkt sich darauf, nur mit ihrer Linken zu malen und zu zeichnen.

Wieso das? Die Künstlerin antwortet gleich selbst: «Zunächst da ich Rechtshänderin bin, und meine linke Hand auf der ‹anderen Seite› ist. So begebe ich mich auf den Weg der Erkundung, ich gehe Risiken ein, setze die Voraussehbarkeit aufs Spiel. Ausserdem hoffe ich, dass die Aktion meine Fragilität als Künstlerin weiterentwickeln wird.»

Täglich von 10 bis 18 Uhr können wir von der Kirchgasse aus Valérie Favre bei ihrer Arbeit zusehen. Dies ist der Künstlerin wichtig. Eben­so sehr aber auch, dass wir zu verstehen versuchen, was im Raum drinnen passiert, und Assoziationen und Ideen aller Art zulassen. Die Entwicklung der Aktion kann auch über eine Live-Webcam verfolgt werden. Siehe YouTube-Fenster unten.

Eine Auswahl der entstandenen Bilder sind im Foyer der Helferei ausgestellt.

Kulturhaus Helferei
Kirchgasse 13, 8001 Zürich

mehr Informationen (PDF)        Webseite Valerie Favre

Mit Dank für die Unterstützung:

ZHdK, On Moving and Waiting

ON MOVING AND WAITING
Fr 22.10., 18–22h Opening Event
Sa 23.10. und So 24.10., 10–18h Open House
Kulturhaus Helferei

On Moving and Waiting – Flucht, Migration & Identität ist ein Versuch hinzuschauen, zu dokumentieren und uns selbst zu fragen, wie eine gerechtere Zukunft für Alle aussehen könnte.

Eine Ausstellung und eine Publikation des BA Trends & Identity der Zürcher Hochschule der Künste (Seonho Bang, Alice Bayer, Selina Bertschi, Leonie Dittli, Sissy Kuhlmann, Noëmi Leonhardt, Alma Schneider, Carlotta von Graffenried, Justine Yee, Dagna Salwa, Basil Rogger)

Kulturhaus Helferei
Kirchgasse 13, 8001 Zürich

Eintritt frei, Covid-Zertifikat und ID erforderlich

Webseite mit Programm

In Zusammenarbeit mit UNHCR Office for Switzerland and Liechtenstein, Anja Klug, Vincent Bürgy und in Verbindung mit dem Projekt ART STANDS WITH REFUGEES des UNHCR 

1. ZÜRCHER KLIMA-CAFÉ
Do 16.9.2021, 16–20h
Kulturhaus Helferei

Klima- und Nachhaltigkeitsthemen sind en vogue. Dabei scheinen die Künste gefragt zu sein, denn die Kunstschaffenden schauen hin und fordern uns heraus. Aber wie wirken sich die neuen Anforderungen bis hin zu transdisziplinären Partnerschaften auf ihre Arbeit und ihre Situation aus? Freiheit der Künste vs. gesellschaftliche Relevanz?

«die zukunft kuratieren in der HELFEREI» lädt zum «Klima Café».

16h Öffnung des Cafés mit Kaffee und Kuchen

17–19h Inputs mit Diskussion:

Peter Fischer, Mitbegründer Kulturinitiative «die zukunft kuratieren»

Monica Ursina Jäger, Künstlerin, Zürich

Andrina Jörg, Künstlerin, Baden

Barbara Ellenberger, Initiantin und Leiterin KlimaKontor Basel, im Gespräch mit Seraina Dür, Künstlerin, Regisseurin, Performerin, und Jonas Gillmann, Künstler, Dramaturg, Perfomer

Michael Krohn und Karin Zindel, Co-Leitung Zentrum Nachhaltigkeit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)

19–20h Austausch

Kulturhaus Helferei
Kirchgasse 13
8001 Zürich

Eintritt nur mit Covid-Zertifikat und ID
Kollekte

PDF mit Detailprogramm

Kontakt: info@diezukunftkuratieren.ch  

Organisation: www.diezukunftkuratieren.ch
(Brigitt Bürgi, Peter Fischer, Andreas Weber),
in Zusammenarbeit mit Kulturhaus Helferei

Unterstützt durch    

Bild: Andrina Jörg, Paranatur Forschungslaboratorium, 2020

Passaparola − Performance von Lilian Frei

Di 18. Mai 2021 vor und in der Helferei

Die aktuelle Corona Call-Ausstellung in der Helferei und der Wasserkirche zeigt, wie Kunstschaffende die erste Welle der Pandemie erlebt haben.

Nun – ein Jahr später – stellt Lilian Frei die Frage «Wie weiter?». In ihrer Performance «Passaparola» bringt sie vor der Helferei Antworten von Künstlerinnen und Künstlern unter die Leute. Anschliessend sind alle eingeladen, in der Kapelle der Helferei eigene Zukunftsparolen weiterzugeben.

«Passaparola»  in Venedig
13. Juli 2021, 15 Uhr im Palazzo Albrizzi-Capello
im Rahmen von FRAGMENTED IDENTITIES von THE ROOM Contemporary Art Space

12. März bis 3. April 2021
Brigitt Bürgi

Ausstellung dokumentarischer Bilder des Stationenwegs

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16. März 2021
Neda Razavipour

«undo» (Gestures No. 3)
partizipative Aktion

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16. April 2021
Visarte Corona Call

Eröffnung der Ausstellung in Helferei und Wasserkirche

> Details und weitere Corona Call Ausstellungen